Roger Waters – The Wall

03.06.2011, Mannheim SAP Arena

Endlich – eine Viertelstunde nach 20 Uhr geht das Licht aus. Das Konzert galt als ausverkauft, man kann aber noch freie Plätze sehen, auch die Stühle neben uns bleiben leer.
“In the Flesh” – nach den leisen Trompetenklängen im spärlichen Licht – die erste E-Gitarre und die Bühne explodiert förmlich. Rote Feuerwerkskörper spritzen zu jedem Bass bis an die Decke und gleißend rotes Licht ergießt sich über die Bühne. Zwei Flakscheinwerfer suchen zunächst den Himmel ab, lassen alsdann ihre Lichtsäulen durch die Halle tanzen. Roger Waters erscheint auf der Bühne wie ein faschistische Diktator in langem Ledermantel. “So you thought you might like to go to the show…” Immer wieder steigen Raketen auf und zum Ende des Songs regnet es Feuer von der Decke. Wie ein Vorhang zieht der Feuerregen von links nach rechts und zurück bis beim letzten Basstakt die ganze Bühne erneut explodiert. Dann ist es wieder dunkel und man spürt jetzt erst, dass einem da so etwas Kaltes den Rücken runter läuft.

“The Thin Ice” – auf eine mächtige, runde Leinwand in der Mitte der Bühne wird das Bild von Eric Fletcher Waters – seinem Vaters – projiziert. Ihm folgen Bilder von weiteren Kriegsopfern, vom 2. Weltkrieg bis 2011. Bei Another Brick in the Wall Part bleibt auch wieder Rot die dominierende Farbe. Dann ist es wieder dunkel und der harte Bassgeräusch Geräusch des umherfliegenden Hubschraubers aus “The Happiest Days of Our Lives” lässt die ganze Halle beben – wieder tastet der Scheinwerfer die Halle ab. Rechts auf der Bühne steht jetzt eine riesige Gummifiguren – der autoritäre Lehrer mit rot leuchtenden Augen und Schlagstock. Als das Stück in Another Brick in the Wall Part 2 übergeht kommen eine Handvoll Kids auf die Bühne und tanzen den Lehrer an die Wand – “We don’t need no Education”.

Roger Waters fragt, wer schon vor 30 Jahren in Dortmund dabei gewesen war – und wer in Berlin, als die Mauer fiel. Und während er “Mother” singt, wird ein Schwarz-Weiß Video von 1981 eingespielt – beide singen perfekt synchron im Duett. Im Hintergrund wir die Mauer Stein um Stein langsam immer weiter aufgebaut….

Beklemmende Szenen folgen nun bei “Good bye Blue Skye”. Weiße Tauben fliegen weg – “Look, Mummy. There’s an airplane up in the sky” – schwarze Bomber folgen, fliegen bedrohlich heran und lassen symbolische Bomben fallen – Kreuze, Halbmonde, US-Dollars, Davidsterne, Konzernlogos. Gerald Scalfe, der Karikaturist, der seinerzeit das Cover von “The Wall” und die Trickfilme der Show zeichnete, ist wieder für die Optik verantwortlich. Seine Blumen kopulieren in “Empty Spaces”, Waters steht von einem einzelnen Sport ausgeleuchtet und die Mauer wächst und wächst. Bei “Young Lust” und “One of My Turns” ist die Mauer fast komplett und nur durch drei Löcher kann man Waters und die Band noch sehen.

Und wieder ist es eine riesige grüne Gummipuppe – eine Gottesanbeterin, die Männer frisst – die bei “Don’t Leave Me Now” auf der Bühne tanzt. Bei “The Last Few Bricks” schließen sich die 3 letzten Löcher und nun fehlt nur noch ein einziger Stein. Die Bühne ist ganz dunkel und nur ein Spotlight scheint von hinten durch die einzig Lücke in der Mauer. In dieser erscheint Waters und singt “Goodbye Cruel World”. Mit dem letzten Takt, mit “To make me change my mind, Goodbye” schließt sich die Mauer. 73 Meter breit und 11 Meter hoch ist sie geworden.

 

Nach der Pause beginnt es mit “Hey You”. Die Band und Waters spielen unsichtbar für die Zuschauer hinter der geschlossenen Mauer. Bei “Is There AnyBody Out there” öffnen sich wieder 2 Steine und man kann in blauem, fahlen Licht die Band spielen sehen. Jetzt klappt auf der linken Seite eine Wand auf und man sieht Waters im fahlen Licht einer Stehlampe im Hotelzimmer vor dem Fernseher sitzen – “Nobody Home”. Genial.

 

Bei “Vera” und “Bring the Boys back home” fliegen ergreifende Bilder und Videos über die Leinwand. Es geht langsam ans Gefühl und das ganze endet im nächsten Song – “Comfortably Numb”. Waters steht allein vor der riesigen grauen Mauer, schaut hinauf und im Spotlight erscheint – nein, leider nicht David Gilmour … Trotzdem gehen diese Gitarrenklänge tief ins Herz. Das war für mich der Moment, wo ich ganz tief Luft holen musste.

“The Show Must go on” – die Band trägt rote Armbinden und Waters erscheint wieder im langen schwarzen Ledermantel mit roter Armbinde. Meterhohe Hammerfahnen und Säulen versetzen das Publikum in eine Szene wie auf einem Reichsparteitag in Nürnberg. Als die ersten Takte von “Run Like Hell” ertönen, springt das Publikum endlich auf.

“Hammer, Hammer, Hammer…. Run, Run, Run, Run, Run, Run …” und nun kommt auch das Pink Floyd Schwein angeflogen. Dieses Mal ist es knallrot und mit Parolen wie “Drink Kalashnikov Vodka” oder “Trust Us” beschriftet. Langsam schwebt es durch die ganze Halle.

“Hammer, Hammer, Hammer,….Eins, zwei, drei, alle! Oooo, You cannot reach me now…” und rote Würmer ziehen sich durch die hohen Säulen – “Waiting for the Worms”. Scalfe’s Videoszenen und Comics werden immer ergreifender, ziehen die Zuschauer im Strudel mit – alles baut sich langsam zum Höhepunkt auf. Waters steht mit einem Megaphon auf der Bühne. “Waiting, to turn on the showers and fire the ovens”.

Die Videos werden skurriler und in absoluter, genialer Waters-Manier bäumt sich alles auf und bringt das Publikum auf – “tear down the wall, tear down the wall…”.

Die Farben verschwinden und alles wird wieder Rot. Kurze Bilder von Soldaten, Bombern und dann beginnen die ersten Steine zu fallen. In wenigen Sekunden ist die Mauer eingestürzt. Das war eigentlich das unspektakulärste an dieser Show. Die Bühne bleibt in rotes Licht getaucht und nun ist Schluss.

Die Band kommt langsam auf die Bühne und spielt noch unplugged “Outside The Wall”. Dazu regnet es rote Papierschnipsel von der Decke. Die Band verlässt die Bühne und nach einem Thank You ist auch Roger Waters verschwunden. Trotz minutenlangen Klatschen bleibt er es auch – und dann geht das Licht wieder an. Das war es? Ja, das war es. Schade – es hätte ein besseres Ende verdient.

Trotzdem. Es war ein monumentales Spektakel aus Licht, Video, Klängen und Gefühlen – basierend auf einer Musik und einer Geschichte, die auch nach 30 Jahren nichts an Emotionalität und Intensität eingebüßt hat. Nationalismus, Rassismus, Sexismus und Religion, Macht und Gefühlslosigkeit – sind immer noch Themen unserer Gesellschaft. Millionen von Menschen dieser Welt haben Dinge wie Pink erlebt und fühlen sich damit identifiziert. Nicht nur Roger Waters ist älter geworden – das Publikum war ausnahmslos zwischen 40 und 50 (bei Eintrittspreisen zwischen 250 und 80 Euro wohl auch verständlich).

Unser Preis: Bl. 104 Innenraum, 81.35 EURO